Togrims Tagebuch, Auszug 44

30. Kythorn
Heute ist der große Tag. Die Sturmriesen werden angreifen, aber ohne unsere Hilfe werden sie es nicht schaffen. Und ohne die Sturmriesen wird Faerûn nicht zur Ruhe kommen.
Wir haben alle nicht viel geschlafen und treffen uns viel zu früh im Flur vor unseren Zimmern. Felgolos steht nervös rauchend am Fenster. Er bietet uns etwas von seinem Pfeifenkraut an, und wir nehmen dankend an. Das Kraut beruhigt uns etwas.
Ean teleportiert uns zurück in die Nähe der Ruinen von Ascore, mit respektvollen Abstand zu Hort der beiden blauen Drachen. Wir fliegen nach Norden zum verabredeten Treffpunkt und erspähen die Riesen. Offenbar hat man nicht verstanden, dass wir einen Drachen dabei haben, und so werden wir gleich von einem Felsbrocken empfangen, der aber glücklicherweise verfehlt. Als Hekaton uns erkennt beruhigen sich die Riesen und akzeptieren Felgolos als Alliierten, wenn auch etwas widerwillig.
Wir machen uns auf den Weg, die Riesen zu Fuß, wir auf Felgolos. Überall in der Wüste bewegen sich Sandwürmer, die aber gebührend Abstand halten. Am Horizont erkennen wir die Ruine einer großen Stadt, die in den nächsten Stunden immer näher kommt.
Wir erreichen die Stadt und werden gleich von einigen wütenden kleinen Steindrachen empfangen. Die Riesen werfen Felsbrocken, die kleinen Drachen haben keine Chance. Der Drachehort befindet sich ja angeblich bei einem Amphitheather. Unwissend wo sich dieses befindet beginnen wir mit einer ersten Erkundung der Stadt, aber zunächst ohne Erfolg. Neben den Steindrachen sehen wir auch allerhand anderes Ungetier, dem wir aber bestmöglich aus dem Weg gehen. Wir wollen unsere Kräfte sparen.
Die Ruinen der Häuser sind hier so hoch, dass es schwierig ist aus den Häuserschluchten einen guten Überblick zu bekommen, und so beschließen Gilchrist und ich einen größeren Turm zu besteigen. Das Treppenhaus ist stark verfallen, aber wir kommen sicher nach oben. Oben angekommen treten wir aufs Dach, wo sich prompt ein Sandwirbel bildet, und uns als Luftelementar angreift. Glücklicherweise haben wir aber auch schon gesehen, was wir sehen wollten: Im Osten der Stadt bildet sich ein massives, unnatürlich aussehendes Gewitter. Unter dessem Zentrum liegt ein großes Amphitheater. Das muss der Hort sein.
Wir haben keine Lust uns mit dem Luftelementar auseinanderzusetzen und springen mit Featherfall vom Dach. Leider verwundet es uns beide, bevor wir entkommen können. Die Riesen schlagen vor, dass wir noch einmal kurz rasten und unserer Kräfte sammeln sollen.
Das Gewitter ist zu einem wahren Monster angewachsen. Hunderte kleiner Steindrachen umkreisen das Auge des Sturms, direkt über dem Amphitheater. Auf den Rängen stehen zwei große Ballisten, die offenbar auch von kleinen Drachen bedient werden. Wir sehen keine Chance uns unbemerkt zu nähern und wählen die naheliegende Alternative: Wir stürmen auf das Amphitheater zu. Ean und Lilleni trinken ein Trank des Riesenwuchses und sind jetzt so groß (oder in Lillenis Fall halb so groß) wie die anderen Riesen. Lilleni schnappt sich Gilchrist. Ich reite auf Felgolos.
Die Steindrachen schaffen es ein paar mal die Ballisten abzufeuern, aber verfehlen. Als sie in Reichweite kommen, schleudern zwei der Sturmiesen Blitze und zerstören alle beide. Auf halber Strecke lösen wir eine Falle aus und eine großes Loch tut sich plötzlich unter uns auf. Da wir allesamt groß genug sind (oder von größeren getragen werden) können sich aber alle sicher auf die andere Seite retten.
Wir erreichen das Amphitheater. Es ist weitgehend verfallen, Statuen sind zerbrochen, auf den Rängen liegt Schutt, auf der rechten Seite hat sich etwas eine Schneise direkt nach draußen gebahnt. Die verbliebenen Steindrachen sind schnell beseitigt, aber es umkreisen uns am Himmel immer noch hunderte. Bisher scheinen sie uns aber weitgehend zu ignorieren. Von Iymrith fehlt bislang jeder Spur.
Auf beiden Seiten der zentralen Arena sehen wir Eingänge, dahinter Treppen, die in der Untergrund führen. Wir erwarten aber eigentlich nicht, dass Iymrith sich vor uns verstecken würde. Die Sturmriesen werden ungeduldig, und Hekaton brüllt mit voller Lautstärke, sie solle sich endlich zeigen. Und wie als Antwort ist ein lautes Beben zu vernehmen, und Iymrith kommt von hinten über die Ränge des Amphitheaters geklettert. Auch wenn wir sie schon einmal in ihrer Drachengestalt gesehen hatten, wirkt sie hier in ihrem Hort sehr groß und sehr einschüchternd.
Hekaton scheint irgendwie zu erkennen, dass Iymrith durch Magie geschützt ist, und ruft uns zu, wir sollen in den Gewölben unter dem Theater nach der Quelle dieser Magie suchen. Das lassen wir uns nicht zweimal sagen.
Während wir die Räume erkunden hören wir von oben laute Kampfgeräusche, die aber leider mehr nach verwundeten Riesen als verwundetem Drachen klingen. Die Wände hier unten sind nur teilweise aus Stein. Einmal bohrt sich Iymriths Kopf unvermittelt durch eine der Wände, speit ihren Blitzatem und verschwindet gleich wieder.
Im nächsten Raum liegt ein riesiger Haufen Gold, der aber verdächtig wenige anderes enthält. Das kann nicht der eigentliche Schatz sein und tatsächlich bemerken wir auch rechtzeitig, dass der Haufen wohl durch unsichtbare Luftelementare beschützt wird. Eine Falle.
Und dann bewegt sich plötzlich ein bislang unscheinbar aussehender Sandhaufen hinter mir und ein Golem gräbt sich heraus. Ich bin zu überrascht um auszuweichen, und er verpasst mir einen so harten Schlag, dass ich fast ohnmächtig werde. Mit letzter Kraft hole ich das silberne Horn aus der Tasche, das uns vor langer Zeit die Zwerge in Felbarr anvertraut hatten, um es in „höchster Not“ zu benutzen. Ich denke das zählt. Es ist kein Ton zu hören, aber wie aus dem Nichts erscheinen neun schemenhafte Zwergenkrieger, die sich mit ihren Äxten sofort über den Golem hermachen. Mit vereinten Kräften zerstören wir ihn.
Hoffentlich sind diese Golem die Magie von der Hekaton gesprochen hatte. Aber Sandhaufen gab es viele, und also vielleicht auch mehr als einen Golem? Wir stochern in alle Haufen die groß genug aussehen, und finden insgesamt tatsäclich zwei weitere, die wir ebenfalls beseitigen.
Als der Letzte stirbt hören wir lautes Gebrüll und dann Stille. Der Raum in dem wir uns befinden hat ein großes Loch in der Decke, wir sind genau unter der Mitte der Arena. Und als wir nach oben schauen und lauschen, fällt plötzlich etwas Großes durch die Öffnung: Einer der Sturmriesen. Bei genauerem Hinsehen: die Hälfte eines Sturmriesen. Wir werten das nicht als gutes Zeichen.
Bevor uns richtig klar wird was gerade passiert ist, bebt hinter uns die Erde, und Iymrith Kopf gräbt sich erneut aus der Wand. Wir greifen sofort an, und haben den Eindruck, dieses mal auch wirkliche Wunden zuzufügen. Das Zerstören der Golems muss wohl geholfen haben. Leider sieht Iymrith aber trotzdem noch relativ fit aus.
Und zu unser aller Frustration verschwindet Imyrith nach kurzer Zeit ein weiteres Mal. Als sie wieder erscheint, kommt sie aus einem Loch im Boden und trägt auf ihrer Schnauze ein furchteinflößendes, halb-verrottetes untotes Geschöpf. Die skelettartige Gestalt scheint mit den Schatten zu verschmelzen. Gilchrist nutzt geistesgegenwärtig seinen Driftglobe auf maximaler Helligkeit („Osram!“), was die Gestalt vorläufig zu vertreiben scheint.
Und dann geht alles schief. Iymrith zaubert und ich bin zu erschöpft es zu verhindert. Lilleni, die gerade noch neben mir stand, ist plötzlich verschwunden. Die Skelettgestalt erscheint aus einem Schatten hinter uns, ergreift Gilchrist mit unnatürlich langen Skelettarmen, zieht ihn zu sich, und verschwindet ebenfalls. Und Imyrith selbst taucht unvermittelt aus der Wand neben mir auf, schlägt nach mir, und alles wird schwarz.
Als ich wieder zu mir komme ist der Kampf vorbei, hinter mir liegt die Leiche von Imyrith, ihr linkes Auge von einem Pfeil durchbohrt. Später erfahre ich: Ean ist es gelungen Gilchrist aus den Fängen der Skelettgestalt zu befreien und sie gemeinsam zu töten. Gleichzeitig ist Hekaton, doch noch lebendig, aus dem Loch über uns gesprungen und hat einen riesigen Felsbrocken auf Imyrith geworfen, was diese die Kontrolle über ihren Zauberspruch verlieren ließ. Prompt ist Lilleni wieder aufgetaucht, und hat den entscheidenden Pfeil abgeschossen, der jetzt aus Iymriths Auge ragt.
Außer Hekaton hat keiner der Riesen überlebt. Wir wissen auch nicht wo das Szepter sein kann, dass wir benötigen um Hekatons Tochter aus ihrer Paralyse zu befreien. Aber wir sind alle zu benommen um noch richtig darüber nachdenken zu können. Und suchen uns einen Platz zum Schlafen, und schlafen.
Am nächsten Morgen fühlt sich schon alles besser an, und uns wird langsam klar, dass wir vielleicht Großes vollbracht haben. Falls Hekaton die Wahrheit gesagt hat, dann könnte der Krieg zwischen den Riesen und uns „kleinen Völkern“ heute sein Ende gefunden haben.
Es bleibt noch das Problem mit dem Szepter. Ich erinnere mich, dass ich ein Spruchrolle besitze, die mir erlaubt mit Toten zu sprechen. Und so erwecke ich Iymrith ein letztes Mal, nur für kurze Zeit, zum Leben und frage sie wo das Szepter ist. Als Gegenleistung biete ich ihr an, sie könne sich wünschen was die Nachwelt über sie erfahren soll. Sie willigt ein, und verrät mir, dass das Szepter und ihre anderen Schätze tief unter dem Goldhaufen vergraben sind, den wir vorher schon gesehen hatten. Was sie sich wünscht: Ich werde es nicht niederschreiben.
Wir graben und finden unter dem Goldhaufen mehrere Sarkophage, mit diversen wertvollen Gegenständen. Und dem Szepter. Hekaton ist überglücklich, nimmt das Szepter und teleportiert sich sofort zum Maelstrom zurück.
Wir haben hier auch nichts mehr verloren. Ean teleportiert uns und soviel Gold er kann kann zurück zu unserer Festung, die ja eigentlich fast fertig sein müsste. Wir kommen an, mit nur einem kleinen unfreiwilligen Zwischenstopp auf einer benachbarten Bergkuppe. Aber uns kann ja nichts mehr schrecken…
Und damit endet das Tagebuch. Nachdem es sich bei den Abenteurern inzwischen um Personen öffentlichen Interesses handelt, soll hier noch kurz der weitere Lebenslauf – soweit dem Kolleg bekannt, wiedergegeben werden:
Togrim Turco hat sich zunächst auf seiner Festung niedergelassen, um dort seine eigene Theatergruppe auszubilden, und sein Lebenswerk („ein Lied von Feuer und Eis und Hügel und Sturm und Wolke und Hügel“) fertigzustellen. Leider erwies sich die Festung aber als zu entfernt von jeglicher Zivilisation um dort fähige Schauspieler zu finden. Der letzte Akt des Theaterstücks wurde auch niemals fertig gestellt. Stattdessen konnte Togrim das Abenteurerleben offenbar nicht mehr aufgeben und hat sich bald wieder auf die Reise gemacht. Leider sind uns keine weiteren Tagebücher zugespielt worden.
…
- Ultram Alberich, Oberbibliothekar, Bardenkolleg zu Yartar